Elektro-Mercedes fährt mit Batterien aus Sachsen
In Kamenz wird das Herzstück des ersten Autos der neuen Marke EQ produziert. Das neue Werk sucht noch Mitarbeiter.
Stockholm. „Hier ist er – sicher, still und geschmeidig“, mit diesen Worten präsentierte Dieter Zetsche am Dienstagabend den EQC, das erste Fahrzeug der neuen Modellfamilie EQ. Der lang erwartete Stromer-SUV feierte seine Weltpremiere im Artipelag, dem bekannten Kunstmuseum in den Schären Stockholms.
Warum sich Mercedes-Benz als Premierenort die schwedische Hauptstadt aussuchte, begründete Zetsche mit drei Worten: Design, Nachhaltigkeit und Innovation. In diesen drei Punkten hätten der EQC und Stockholm viel gemein. Eine perfekte Wahl, die Weltpremiere fand statt eingebettet in wunderschöner Natur, moderner Kunst und Architektur und vorbildlichem Streben nach Umwelt- und Klimaschutz. Das macht Stockholm aus, 2010 zur Grünen Hauptstadt Europas gekürt. Das Fahrzeug verspricht Null-Emission beim Kohlendioxidausstoß, ist aber eher von konventionellem Design. Ein Elektroauto der Zukunft, das aussieht wie der alte vertraute Mercedes. Der Mercedes-Kunde will das vermutlich genau so.
Der Mittelklasse-SUV, mit dem Mercedes-Benz-Paroli bieten will, soll 400 PS haben und in fünf Sekunden von Null auf 100 Stundenkilometer beschleunigen. Die Reichweite beträgt bis zu 500 Kilometer. Im kommenden Jahr soll der E-Benz bei den Autohändlern stehen. Was er kosten wird, verriet Zetsche am Dienstag noch nicht.
Das Fahrzeug ist für Daimler wichtig, soll es doch die lang angekündigte Elektrooffensive endlich auch in den Autohäusern starten. Der Premiumautobauer hat sich viel vorgenommen. Unter der Marke EQ will er bis zum Jahr 2025 in allen Segmenten vom Kompaktwagen bis zur Nobellimousine zehn Modelle mit rein elektrischem Antrieb anbieten. Das den Auftakt in Stockholm ein mittelgroßer SUV macht, ist angesichts der wachsenden Beliebtheit der Stadtgeländewagen in vielen Teilen der Welt eine gute Entscheidung. Die Botschaft dahinter: Moderne Elektroautos müssen nicht Verzicht und Einschränkung bedeuten. Um die Markteinführung vor zu ziehen, ähnelt der EQC dem GLC-Modell von Mercedes. So können die Fahrzeuge mit Elektromotor und Verbrennungsmotor auf der gleichen Fertigungslinie produziert werden. Das spart Kosten und Zeit.
Der Antrieb ist dagegen komplett neu. Die im Bauch des Autos versenkte modulare Lithium-Ionen-Batterie stammt von der Firma Deutsche Accumotive in Kamenz. „Die Batterie ist das Herz des neuen elektrischen Antriebsstrangs und kommt von uns. Daher ist die Weltpremiere ein großer Erfolg für die Mannschaft der Accumotive“, betont Geschäftsführer Erhard Schletterer. Die Accumotive-Mutter Daimler investiert nach eigenen Angaben eine Milliarde Euro in den Aufbau einer weltweiten Batterieproduktion. Die Hälfte davon fließt in den Ausbau des sächsischen Standorts. Die Musterproduktion im neuen Produktionswerk läuft laut Standortsprecherin Ines Heger in diesen Tagen an. Die offizielle Inbetriebnahme und der Start der Serienproduktion ist für kommendes Jahr geplant. Die Mitarbeiterzahl soll auf über 1000 steigen. Derzeit arbeiten rund 800 Beschäftigte in Kamenz.
Die deutschen Autohersteller haben sich beim Thema Elektroauto Zeit gelassen und so Elon Musk die Chance geboten, mit Tesla im Premiumsegment zum Platzhirsch zu werden. Aber es sei noch nicht zu spät, betont Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Mit dem EQC und den anderen Modellen, die Daimler, BMW und der VW-Konzern ab 2019 auf den Markt bringen wollen, wachse Tesla eine ernstzunehmende Konkurrenz heran, so Bratzel. Noch ist allerdings nach wie vor unklar, ob sich Elektroautos in großem Stil verkaufen werden lassen. In Deutschland sind im ersten Halbjahr 2018 rund 17 200 reine Elektrofahrzeuge neu zugelassen worden, zwar 50 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Doch der Marktanteil liegt immer noch nur bei mageren 1,8 Prozent.
Erschienen in der Sächsischen Zeitung am 04.09.2018.